Bauvorbereitende Untersuchung einer germanischen Siedlung in Potsdam, Campus am Jungfernsee.
Projektzeit: 12 Monate
Fläche: 4.000 m2
GPS-Koordinaten: 52.43479 N, 13.05538 E
Zeitstellung : Neolithikum Bronzezeit Eisenzeit Römische Kaiserzeit
Im Potsdamer Ortsteil Nedlitz, zwischen dem Westufer des Jungfernsees und der Nedlitzer Straße, wurde auf einer Fläche von zuletzt insgesamt 4000 m² ein mehrperiodiger ur- und frühgeschichtlicher Siedlungs- und Bestattungsplatz mit überdurchschnittlich hoher Fund- und Befunddichte von Oktober 2011 bis Januar 2013 bauvorbereitend untersucht.
Dabei wurde vor allem der Ausschnitt eines germanischen Siedlungsareals des 1. bis 5. Jahrhunderts n. Chr. erfasst. Bisher konnten Teile der Grundrisse von mindestens acht langrechteckigen Wohnstallhäusern von 5 bis 6 m Breite und 15 bis 20 m Länge erkannt werden. Hinzu kommen etwa zweiundzwanzig kleinere, in den Boden eingetiefte Gebäude, sogenannte Grubenhäuser, von etwa 3 x 4 m Größe, die als Werkstätten und in anderen Nebenfunktionen den ebenerdigen oder nur leicht eingetieften bzw. „teilunterkellerten“ Großbauten zugeordnet waren. Einige davon können aufgrund ihrer besonders kompakten Bauweise mit sehr stark eingetieften Pfosten als unterkellerte Vorratstürme rekonstruiert werden. Im Laufe der langen Besiedlungszeit sind einige Gebäude offenbar abgebrannt, andere wurden abgerissen oder verfielen. Von besonderem Interesse ist die fast vollflächige Erhaltung des damaligen Oberflächenhorizontes, einer sogenannten Kulturschicht, die durch jahrzehntelange Ansammlung kohliger Asche und organischer Abfälle stark dunkel verfärbt ist und zahlreiche Fundstücke enthält, die sich zum Teil einzelnen Häusern zuweisen lassen. Interessantestes Fundstück ist eine sogenannte Bügelknopffibel, eine aus Bronze gegossene und verzierte Spange zum Zusammenhalten des antiken Mantels (Umhanges), die germanische Nachbildung einer römischen Legionärsfibel. Hinzu kommen einige weitere Schmuck- und Bekleidungsbestandteile aus Buntmetall, zwei eiserne Speerspitzen und viele weitere Funde aus Keramik, Knochen und Stein.
Unter und zwischen den Hinterlassenschaften der germanischen Siedlung lagen Funde und Befunde älterer ur- und frühgeschichtlicher Perioden. Einige Feuersteingeräte und ein Knochengerät gehören in die späte Altsteinzeit etwa 10000 v. Chr., weitere in die Mittelsteinzeit 9000–5000 v. Chr. Von der beginnenden späten Jungsteinzeit (3400 v. Chr.) bis in die frühe Bronzezeit (um 2000 v. Chr.) wurde hier durchgehend gesiedelt. Einer von ursprünglich vielen Pfostenhausgrundrissen konnte herausgearbeitet werden, hinzu kommen weitere Pfostengruben, tiefe Vorratsgruben, Reste von zwei oder drei Gräbern und viele Streufunde: verzierte Gefäßscherben, Messer- und Sichelklingen, Pfeilspitzen und andere Feuersteinwerkzeuge sowie Bruchstücke von Steinbeilklingen.
In die ausgehende Mittelbronzezeit oder beginnende Jungbronzezeit (um 1200 v. Chr.) gehört eine sitzende Hockerbestattung in einer quadratischen Grube mit zwei beigegebenen Gefäßen. In die gleiche Zeit und in die folgenden Jahrhunderte bis um 700 v. Chr. datieren etwa zehn zylindrische Vorratsgruben von um 1 m Durchmesser und 1,5 m Tiefe, das Bruchstück einer Tonklapper, das Bruchstück einer steinernen Streitaxt und zahlreiche Gefäßscherben.
In die Zeit der frühslawischen Besiedlung (nach Abwanderung der Germanen ins römische Süddeutschland) gehören ein Grubenhaus, das Teile von verzierten und unverzierten Töpfen sowie zwei fragmentarische Drehmühlensteine enthielt und ins 8. Jahrhundert n. Chr. zu datieren ist. Gleichzeitig ist vermutlich eine der charakteristischen Teerschwelgruben.
Zur vollständigen Ausschöpfung des archäologischen Quellenpotentials der Grabungsergebnisse bedürfte es eines mehrjährigen Forschungsprojektes.
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