Baubegleitende Untersuchungen im mittelalterlich-neuzeitlichen Stadtkern
Projektzeit: 4 Monate
Fläche: 1.144 m²
GPS-Koordinaten: 52.753984 N, 13.236797 E
Zeitstellung: Mittelalter Neuzeit
Publikationen
Die archäologischen Untersuchungen um den Oranienburger Schlossplatz standen in Zusammenhang mit Baumaßnahmen für die Landesgartenschau 2009. Sie umfassten die Verlegung von Schmutzwasserleitungen und Regenentwässerung im Bereich des Schlossplatzes, den Rückbau der Brückenrampe am südöstlichen Schlossflügel, die Neugestaltung des Schlossplatzes und den Bau einer Parkfläche an der Fischerstraße auf der östlichen Havelseite. Hinzu kam noch ein Bereich unter der neuen Straßenführung der B 273, der vollständig untersucht werden konnte, weil ein kompletter Bodenaustausch gefordert wurde.
Die Grabungsergebnisse waren durchaus zufriedenstellend. Die ältesten Befunde, bei denen es sich um Reste einer Kulturschicht und mehrere große und kleinere Gruben handelte, sind der späten Latènezeit oder frühen Kaiserzeit zuzuordnen. Einige verstreute Keramikscherben der slawischen Gurtfurchenware deuten auf eine nahe gelegene slawische Siedlung, die aber im Untersuchungsbereich nicht durch Befunde erfasst werden konnte. In der Zeit der Bötzower Stadtgründung ließ sich eine dunkelhumose Kulturschicht datieren, die in Zusammenhang mit einigen Pfostengruben und einem Grubenhaus mit Holzwänden steht. Um die Bötzower Burg, die seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts an Stelle des heutigen kurfürstlichen Schlosses aus dem 17. Jahrhundert gestanden hatte, befanden sich Befestigungsgräben, deren Verlauf und Ausdehnung im Untersuchungsbereich an einigen Stellen erfasst werden konnte. Es handelte sich um einen größeren inneren Graben und einen schmaleren äußeren Graben, der möglicherweise nur aus Abschnitten bestand. Zwischen beiden Gräben war ein Wall aufgeschüttet. Die Lage des mittelalterlichen Grubenhauses zwischen den beiden Befestigungsgräben lässt den Schluss zu, dass es sich bei diesen um jüngere Bauphasen handelte. Im 13. Jahrhundert hatte die Burg vermutlich eine engere und schmalere Umfassung. Kriegerische Auseinandersetzungen um die Bötzower Burg sind aus dem ausgehenden 14. und beginnenden 15. Jahrhundert überliefert; als Ausdruck dieser Vorkommnisse kann die Erweiterung der Burgbefestigung angesehen werden. Die Gräben wurden um 1550 verfüllt, als die Bötzower Burg, nun im Besitz der Hohenzollern, unter Kurfürst Joachim II. zu einem Jagdhaus umgebaut wurde. Als weiterer archäologischer Beleg für kriegerische Zustände in Bötzow im ausgehenden Mittelalter kann der Fund einer Blidenkugel angesehen werden, die im 17. Jahrhundert Verwendung beim Bau des Hauses an der Fischerstraße fand.
Die Fläche unter der B 273 gab den Blick auf einen Abschnitt der Bötzower Hauptstraße frei, die seit der Ortsgründung Bestand hatte. Über mittelalterliche Fahrspuren zogen sich mehrere Lagen einer frühneuzeitlichen hölzernen Straßenbefestigung, die zugleich auch einen Kreuzungsbereich andeuteten. Möglicherweise hatte die heutigen Berliner Straße ihren Ursprung in einer Holzstraße, die im 16. Jahrhundert im Zusammenhang mit der Errichtung des kurfürstlichen Jagdschlosses zentral auf die Schlossachse zuführte. Feldsteinpflasterungen als Straßen- und Platzbefestigung gab es im Bereich des Schlossplatzes erst mit der der Errichtung des barocken Schlosses nach dem Dreißigjährigen Krieg. Die Bauaktivitäten der Kurfürsten Friedrich Wilhelm und Friedrich III. spiegelten sich ebenfalls in den Grabungsbefunden wider. An zwei Stellen konnte das Fundament der zum Schlossplatz zeigenden Umfassungsmauer des Lustgartens erkannt werden. Auch ein Teil der stadtseitigen steinernen Einfassung des Schlossgrabens mit Ansatz einer darüber führenden Brücke ließ sich nachweisen. Schlossseitig konnte der Kellerbereich des südöstlichen Schlosspavillons unterhalb der Aufschüttung für die abgetragene Havelbrücke in seinem Zustand nach dem Abriss des im Jahr 1842 niedergebrannten Südostflügels freigelegt werden. An den Kellermauern konnten zahlreiche Veränderungen in der Raumstruktur abgelesen werden. Die ursprüngliche Überwölbung des Kelleraumes mit vier Gewölbetonnen und einem zentralen Stützpfeiler wurde im frühen 19. Jahrhundert entfernt. Da der Raum scheinbar als Laborraum der chemischen Fabrik diente, wurden z. B. Fensterdurchbrüche zur Havel hin geschaffen, die ein Tageslichtquelle für die Räumlichkeiten erschlossen. Die Brandkatastrophe, die in letzter Konsequenz zum Abriss des Südostflügels führte, zeichnete sich besonders am rußgeschwärzten Ziegelfußboden des 19. Jahrhunderts ab.
Abseits des Schlosses konnten zwei Hausbefunde des 16. und 17. Jahrhunderts dokumentiert werden. Der eine, in den ein Leitungsgraben nur einen schlitzförmigen Einblick gewährte, lag vor dem Haus Breite Straße 55, dem „Blumenthalschen Haus“. Leider konnten Außenwände hier nicht eindeutig erkannt werden, aber es wurden zwei Räume durchstoßen, die mit einem Durchgang verbunden waren. Das Haus ist ausgebrannt. Auf den Lehmböden im Haus lagen verkohlte Bretter auf, die vielleicht von der Decke zum ersten Stock stammten. Auf dem Parkplatz an der Fischerstraße waren zwei Hausgrundrisse des 19. Jahrhunderts erfasst worden. Der nördliche Grundriss hatte die Relikte eines älteren, abgebrannten Fachwerkwohnhauses überbaut, aber kaum zerstört. Dieses konnte in seinem Grundriss fast vollständig erfasst werden. Vorhanden waren die verkohlten Fußbodendielen, die Unterlegsteine für die Schwellbalken, auf denen zum Teil noch verkohlte Balkenteile ruhten, zwei Ofenfundamente und daran angelehnte Lehmwände zum zentral der Länge nach durch das Haus führenden Korridor. Diese Wände, durch den Brand gehärtet, standen zum Teil noch 30 cm hoch. Eine etwa 2 x 2 m große Fläche an der Ostseite des Hauses war mit einer Feldsteinpflasterung versehen. Hier verbarg sich entweder ein Eingangsbereich oder die feuerfeste Unterlage der Herdstelle. Objekte des Hausinventars, die einen bescheidenen Wohlstand des Hausbesitzers anzeigten, lagen verstreut in den Räumen. Auch zahlreiche Kacheln der plastisch verzierten Kachelöfen konnten neben den Fundamenten geborgen werden. Besonders hervorzuheben waren zwei Funde: eine sog. Butterdose, ein kugeliges Keramikgefäß mit Deckel, und ein beinerner Messergriff mit dem Namen des Hausbesitzers „ACHIMUS NÖLTE 1630“. Die Jahreszahl könnte die Anfertigung oder den Erwerb des Messers angeben, und somit den terminus post quem für den Brand des Hauses.