Archäologische Begleitung der Abrissarbeiten
Projektzeitraum: November 2018 bis April 2019
Koordinaten: N 52.39635, E 13.05983
Das Areal der ehemaligen Fachhochschule war großflächig gestört, lediglich im Randbereich der Baugrube konnten einige Befunde dokumentiert werden.
Ertragreich waren dann aber die Arbeiten im Bereich des Staudenhofes, der zwischen Bibliothek und dem Wohngebäude Straße am Alten Markt 10-12 als Durchgang und Grünstreifen angelegt worden war. Dieser befand sich genau oberhalb der ehemaligen Kaiserstraße. Es stellte sich heraus, dass die alte Straße nahezu komplett unter den Auffüllschichten erhalten geblieben war; die alten Straßenbahngleise lagen noch einen guten halben Meter über dem bauseitig vorgesehenen Abschlussplanum. Mit der Auffindung der unangetasteten Straßenschichten wurde deutlich, dass darunter noch weitere Befunde anzutreffen waren.
Die Kaiserstraße (seit 1945 Von-Guericke-Straße, künftig Anna-Flügge-Straße) befand sich im Norden der mittelalterlichen Stadtfläche. Entsprechend dieser Lage wurden Elemente der frühen Stadtbefestigung erkannt – ein zur Stadtgründung angelegter Grenzgraben kleinerer Dimension sowie Schichten des nördlichen Stadtgrabens aus dem 14. bis 17. Jh. Dokumentiert wurden flach nach Norden hin abfallende humose Ablagerungen, eine Grabenbefestigung und ein steil eingreifender Randbereich ließen sich nicht ausmachen. Die Interpretation der archäologischen Evidenzen geht dahin, dass es einen befestigten Graben an dieser Stelle nie gegeben hatte. Es ist zu vermuten, dass die Grabenanlage sich hier mit dem sumpfigen Niederungsgelände des „Faulen Sees“ verband. Dieser erschien als Annäherungshindernis ausreichend. Im weiteren Verlauf nach Süden hin konnten Befunde ausgegraben werden, die darauf hindeuten, dass seit der Stadtgründung hier der Hinterhof einer oder mehrerer Bürgerparzellen gelegen hatte. Besonders zwei große Backofenanlagen unterstreichen diese Nutzung und geben außerdem den Hinweis auf den Standort einer Bäckerei an dieser Stelle im 14. Jh. Ab dem letzten Viertel des 17. Jh. veränderte sich die Situation im Norden der Stadt. Der Faule See wurde zur Stadt hin entwässert. Man legte auf der Fläche eine Wiese an. Das Vorgehen spiegelt sich in einem dicken Auftrag humoser Erde über den Ablagerungen des Stadtgrabens wider. Um 1720 kam es dann zur Anlage der Kaiserstraße. Letzte Bebauungsreste wurden entfernt und einplaniert. Nach der Anlage einer Baustraße mit flankierendem Entwässerungsgraben erfolgte der Auftrag einer nach Norden hin immer mächtiger werdenden Sandschicht als Unterbau für die Straße. Fundamente der Häuser des 18. Jh. zeigten sich am Westrand der Untersuchungsfläche. Ab dem 18. Jh. kam es auch zur Verlegung unterirdischer Kanalsysteme zur Entwässerung. Die letzte Versiegelung erhielt die Kaiserstraße im beginnenden 20. Jh. durch eine Teerdecke und ein Schlackepflaster.